A cappella mit Auswahl-Ensemble

Der Kammerchor Baden-Württemberg feiert sein 40jähriges Bestehen mit einem Auftritt in der Tübinger Stiftskirche

Schwäbisches Tagblatt, 31.03.2025

Tübingen. Am vergangenen Samstag war in der 3232. Stiftskirchen-Motette am Vorabend des vierten Passions-Sonntags Laetare („Freue dich!“) war einmal wieder der Kammerchor Baden-Württemberg zu Gast. Das Auswahl-Ensemble feiert aktuell sein 40-jähriges Bestehen.
Zu den jährlich sechs Konzertprojekten kommen Sängerinnen und Sänger aus dem gesamten Bundesland in kompakten Probenphasen
zusammen. Ensemble-Gründer und -Dirigent ist Jochen Woll, Leiter des Fachbereichs Gesang an der Musik- und Singschule Heidelberg.
Die knapp 300 Motettenbesucher hörten eine 22-köpfige Besetzung des Chores, darunter neun Männerstimmen, mit einem anspruchsvoll ambitioniertem A-cappella-Programm – gleich zu Beginn die doppelchörige Bach-Motette „Komm, Jesu, komm“ (BWV 229). Der um Beistand und Hilfe rufende barocke Text war stark expressiv gestaltet.„Der saure Weg ist mir zu schwer!“ – ein chromatischer Gang durchs irdische Jammertal.
Durch die sforzato akzentuierten Impulse, mitunter übergroß forciert, verlor der Chorklang immer wieder an Homogenität, zumal in den Männerstimmen. Im polyphonen Satzgewebe wurde mancher Zusammenklang rau und uneben.
Runder und harmonischer war Mendelssohns „Richte mich, Gott“ op. 78/2: ebenfalls doppelchörig, aber blockhafter, stärker akkordisch komponiert. Der Chorsatz klang in majestätisch breiten Harmonien aus. Ausdrucksvoll sich steigernd danach Heinrich Kaminskis spätromantisch herber 130. Psalm „Aus der Tiefe ruf ich, Herr, zu dir“.

Romantische Psalm-Vertonungen

Am besten gefielen zwei romantische Psalm-Vertonungen des wilhelminischen Berliner Domchor- Leiters Albert Becker. Schön der Wechsel von Frauen- und Männerchor in Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen“, dynamisch differenziert, mit feinem Pianissimo. Magisch die
Zeile „Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen und der dich behütet, schläft nicht“. Eindrucksvoll Beckers 80. Psalm „Du Hirte Israels, erscheine“ mit dramatischen Laut-leise-Kontrasten wie Ruf und Widerhall und klagevoller Chromatik. Josef Rheinbergers „Hymnen“ op. 140 – vier jeweils vierstimmige lateinische Psalm-Vertonungen – hatten organisch geatmete Phrasierungsbögen, wirkten gestalterisch aber recht gleichförmig und
klanglich oft recht grob. Schöner zuletzt ein „Alleluja“ des 1984 verstorbenen US-Amerikaners Randall Thompson: leise schwingend, in farbigen Lichtwechseln.
[Achim Stricker]