Sieg der Hoffnung

Kammerchor Baden-Württember in der Friedenskirche

Rhein-Neckar-Zeitung, 21.09.2016

Im Titel des Konzertplakates hat Jochen Woll den Schwerpunkt auf die Resignation gesetzt: „Ach Herr, Hoffen und Verzweifeln“. In der Aufführung selbst wurde das unscheinbar in der Mitte stehende Hoffen aber gleich in der Eröffnung zum Hauptthema. Die von Johann Bach in Töne gekleidete Botschaft „Unser Leben ist ein Schatten“ wurde bei aller Ernsthaftigkeit der Stimmen nämlich pünktlich beim „Schatten“ vom Kammerchor Baden Württemberg mit auflockerndem Optimismus erfüllt. Im lebensbejahenden Gestus bewiesen die Sänger beachtliches solistisches Potential. Bemerkenswert war ihr ungemein weicher Stimmansatz, den Wolls wie in Watte gepolstertes Dirigat hervorzauberte. Der Fernchor sorgte zwar für gelungene akustische Effekte, im Tempo merkte man aber doch den fehlenden Blickkontakt zum Dirigenten.
Geeigneter war die Aufstellung der einen Chorhälfte auf der gegenüberliegenden Empore für Johann Christoph Bachs „Fürchte dich nicht“, was einen eindrucksvollen Klangboden kreierte, der die gesamte Kirchenlänge überwölbte. Auch für diese Botschaft hatten sich die Vokalisten einer federleichten Artikulation verschrieben, die bei aller Lockerheit aber ebenso dezidiert ihr Anliegen kundtat.
Nach Onkel und Cousin folgte der prominenteste Vertreter der Bach-Familie, Johann Sebastian. Mit „Komm, Jesu, komm“ wurde energisch von den Seitenemporen hinab Trost zugesprochen mit dramatisch aufbrausendem Temperament. So eindrucksvoll die diversen Positionierungen des Chores akustisch auch waren, brachten sie leider auch eine spürbare Unruhe in das Konzert.
Knut Nysted, der erst im letzten Jahr verstorbene Bach-Verehrer, arbeitete in „Immortal Bach“ besonders mit unterschiedlichen Langsamkeiten, deren ineinander überfließende Fäden durchaus etwas Gewalttätiges hatten, bevor sie in eine unendliche Stille mündeten. Nach drei Motetten op. 110 von Brahms durfte in seinem 100. Todesjahr natürlich auch Max Reger nicht fehlen, dessen „Ach, Herr strafe mich nicht“ krönender Abschluss und Höhepunkt dieses Abends war. Überaus authentisch vermochte der Kammerchor die klägliche Stimme des lebensmüden Menschen nachzuahmen, der sein Weiterleben als eine einzige Strafe empfindet. Die schlagartigen dynamischen Wechsel bewiesen einmal mehr die enormen stimmlichen Qualitäten und das stilsichere Einfühlungsvermögen dieses Ensembles.

Simon Scherer