Neuromantische Seligkeit
Kammerchor Baden-Württemberg führte Frank Federsels "Seligpreisungen" in Heidelberg auf
Rhein-Neckar-Zeitung, 27.11.2015
"Die  Musik, die Töne und Klänge  begannen wie von selbst  ihren Platz  zu finden", kommentiert Komponist Frank Federsel die Entstehung seiner "Seligpreisungen".  Lediglich begrüßen und bewundern musste er sie.  Dies durfte das Publikum bei der Heidelberger Erstaufführung des Oratoriums für Chor, Perkussion und elektronische Instrumente in der St.-Raphael-Kirche in Neuenheim. Es sang der Kammerchor Baden-Württemberg, Federsel spielte die elektronischen und perkussiven Instrumente: eine bunte Mischung  aus Klangstäben, Becken, Trommel   sowie Keyboards, Regenmacher und iPad.
Dabei  wollte Federsel ursprünglich gar kein Oratorium komponieren. Seine zwölf Meditationen kürzte er so lange zusammen, bis sich das Werk quasi von allein offenbarte. Die Spiritualität, die der Kompositionsprozess bereits  erahnen lässt, wohnt auch der Musik inne. Als neuromantisch ist diese zu bezeichnen, hat aufgrund ihrer Unberechenbarkeit jedoch wenig gemein mit Federsels ruhig fließenden Klavierstücken. Ausnahmslos verzichtet der Komponist auf eine Interaktion von Chor  und  Elektronik: Die elektronisch-perkussiven  Zwischenspiele wechseln sich mit den vom Chor a cappella vorgetragenen Seligpreisungen ab, Berührungspunkte gibt es keine.
 
Klänge einer fremden Welt
Federsei  erzeugt am Synthesizerflügel eine schillernde und vielfältige Synthese aus sich überlagernden Klängen: Meditatives Rauschen, dann  Geräusche die einem kreisenden Hubschrauber ähneln. Gebrochene Dur-Dreiklänge, wabernd oder kreischend, dann wieder elektronisch murmelnde Stimmen. Vieles klingt nach einer fremden Welt, einiges wie mystische Filmmusik, manches erinnert an Jazz. Trotzdem bleibt  es ein schwer verständliches Klangkonglomerat, dessen innermusikalische Logik  sich dem  Außenstehenden nicht  auf Anhieb erschließt. Diese Logik transportiert Federsel indessen mit  solch intrinsischer Selbstverständlichkeit, dass sich für den Komponisten zweifellos eine eigene Sphäre eröffnet. Obwohl der Chor versuchte,  diese Stimmung mitzufühlen, ging doch die Spannung über die instrumentalen Passagen  des Oratoriums in Teilen verloren.
 
Unter der Leitung von Jochen Woll agierte der Chor als Ruhepol und gestaltete die langen, meist getragenen musikalischen Linien  dynamisch ansprechend. Die kontrolliert weich und leise verstummenden Schlüsse rundeten die Chorpassagen ab, auch wenn die Übergänge  aus  beseelten Chorklängen zur elektronischen Geräuschkulisse teilweise ein wenig hart erschienen.
Mendelssohns Motetten "Warum  toben  die Heiden"  und   "Jauchzet   dem Herm" interpretierten die Sänger eben so dynamisch wie agogisch  ausgewogen und zudem mit einigen schrillen Spitzen. Detailliert deuteten sie die textliche Struktur aus, sodass Lachen, Spotten und Schrecken des Psalmtextes in der Musik zum  Ausdruck  kamen.   Nur  selten   stachen Stimmen des Soprans aus dem sonst homogenen  Chor etwas zu stark heraus.
Jesper Klein
