Abenteuerliche Reise in Salomons Lustgarten

Crossover-Konzert des Peter Lehel-Quartetts mit dem Jungen Kammerchor Baden-WürttembergBenefizkonzert zugunsten von terre des hommes

Badische Neueste Nachrichten, 28.04.2014

Wie klingt eigentlich verjazzte Kammermusik? Und wie hört es sich an, wenn die schwärmerisch-sehnsuchtsvolle Liebeslyrik des Hoheliedes Salo- mons, fetziger Jazz und klassischer Chorgesang unter einen Hut gebracht werden? Antwort: ziemlich gut. Der renommierte Komponist und Jazz-Saxofonist Peter Lehel hat es bewiesen. Am Samstagabend wagte der gebürtige Karlsruher in der Ötigheimer Mehrzweckhalle bei einem Benefizkonzert zugunsten von Terre des Hommes (tdh) mal wieder den grenzüberschreitenden „Crossover“. Eingeladen hatte die tdh- Arbeitsgruppe Murgtal/Mittelbaden. Rund 150 Zuhörer kamen. Der Erlös aus dem Konzert kommt einem Straßenkinderprojekt in Brasilien zugute.

Im ersten Teil des „abendfüllenden Programms“ kredenzt das Peter-Lehel-Quartett in der Besetzung Peter Lehel (Sopran- und Tenorsaxofon), Dirk Blümlein (E-Bass), Ull Möck (E-Piano) und Dieter Schumacher (Schlagzeug/ Percussion) „Chamber-Jazz“ nach klassischen kammermusikalischen Vorlagen. Die Vollblut-Jazzer, die immer wieder auch solistisch glänzen, begeistern mit swingenden und groovenden, aus der Sicht improvisierender Jazzmusiker erarbeiteten Arrangements beliebter Werke von Lehár, Bach, Fauré, Schubert und Ravel, lassen im Cha-Cha-Cha- Rhythmus Santana und Brahms einander begegnen oder geben sich in Lehels „Husarenritt“ ein bisschen „funky“. Mit viel Beifall entlässt das applaudierfreudige Publikum die Musiker in die Pause. Was folgt, ist die Neuvertonung „eines der erstaunlichsten Werke der Bibel“ - eines Werkes, in dem es um Liebe und Erotik, um das wechselvolle Zusammenspiel von Begehren und Erfüllung, von Trennung und Vereinigung geht. Kaum hat der Junge Kammerchor Baden - Württemberg mit einem melancholischen Stück von Edward Elgar seine Visitenkarte abgegeben, begeben sich die 19 Sängerinnen und Sänger unter der temperamentvollen Leitung des Chor-Gründers Jochen Woll zusammen mit Peter Lehels Jazzquartett auf eine abenteuerliche Reise in Salomons biblischen Lustgarten. Lehel hatte seine Neuvertonung des Hoheliedes – ein 50-minütiges Werk unter dem Titel „Song of praise“ – im Jahr 2011 eigens für die beiden Ensembles komponiert.
Die achtteilige Komposition stützt sich auf die englische King James-Übersetzung der Bibel aus dem 17. Jahrhundert. In den Sitzreihen liegt die deutsche Übersetzung bereit. Lehels Werk symbolisiert in Erzählsträngen und Themeneinheiten das Geben und Nehmen, das Suchen und Finden zweier Liebender. Der hervorragend disponierte Kammerchor überzeugt in den Chorsätzen durch runden Klang, stimmliche Sicherheit und lebendige Interpretation.
Die brillanten Musiker des Peter-Lehel-Quartetts sorgen für die groovigen Rhythmen, glänzen mit ihren Soli und Improvisationen. Die Balance zwischen Chor und Jazzquartett stimmt. Immer wieder reißt Lehel als der virtuose Dreh- und Angelpunkt die kongenialen Kollegen zu Höhenflügen mit, wobei er sein Saxofon häufig als „vokales Element“ in die Chorstimmen der Frauen integriert. Genauso wie der E-Bass von Dirk Blümlein, der aufs Beste mit den Männerstimmen korrespondiert.
Blümlein, bekannt als Bassist der Band „Fools Garden“, besticht durch gefühlvolles Spiel und zupackende Läufe. Er ist der Triebriemen für die hellwache rhythmische Intensität von Schlagzeuger Dieter Schumacher, der meisterhaft für den Beat sorgt, während Ull Möck die farbigen, brillant funkelnden Pianoläufe beisteuert. Als mit einem Trommelsolo, pulsierenden Rhythmen und einem sich steigernden ekstatischen Gesang der Sieg der Liebe über den Tod verkündet wird und das Stück mit der innigen Bitte um einen „Kuss seines Mundes mit Liebe“ schließt, bedanken sich die Zuhörer mit lang anhaltendem Applaus und Ovationen. Dass sie noch in den Genuss einer Zugabe aus dem „Song of praise“ kommen, versteht sich von selbst.

Der Erlös aus dem Benefizkonzert in Ötigheim kommt nach Aussage von tdh-Mitarbeiter Wolfgang Deppisch Bernardo do Campo, einem Bezirk der brasilianischen Metropole São Paulo, zu Gute. „Das Projekt läuft seit 2004“. Es sei von Straßenkindern ins Leben gerufen worden, die mit Unterstützung von Sozialarbeitern für ihre Rechte und für bessere Lebensbedingungen kämpften. Mittlerweile sei das Projekt Teil des Programms „A chance to play“, das Terre des Hommes und der Volkswagen-Konzernbetriebsrat im Vorfeld der Fußball-WM 2014 in Brasilien ins Leben gerufen haben. Mehr als 60 000 benachteiligte Mädchen und Jungen würden mit Spiel-, Sport- und Lernangeboten erreicht.
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