Trauer und Zuversicht in einem

Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg überzeugt in der Bietigheimer Stadtkirche

Bietigheimer Zeitung, 24.01.2012

Mit dichten A-cappella-Gestaltungen, in denen Verzweiflung und Zuversicht zum Ausdruck kamen, berührte der Junge Kammerchor Baden-Württemberg während seines Konzert am Samstag in der Stadtkirche Bietigheim das Publikum.
   
Vor 27 Jahren hatte [...] Chorleiter und Komponist Jochen Woll den Jungen Kammerchor Baden-Württemberg gegründet, der sich in den zurückliegenden Jahren einen hervorragenden Namen erworben und Auftritte im In- und Ausland hat. In der Bietigheimer Stadtkirche war der Chor nun bereits zum zweiten Mal zu hören. [...]

Heinrich Schütz hatte den 126. Psalm bereits im frühen 17. Jahrhundert vertont. Mit diesem Werk leitete der Chor das Konzert ein und ließ in der nuancenreichen, mit überaus klaren, ideal zueinander gefügten Stimmen getragenen Aufführung bereits den Spannungsbogen, den das Programm beinhaltete, erkennen. Schon mit diesem barocken Werk ließ der Junge Kammerchor Baden-Württemberg unter der Leitung von Jochen Woll eine musikalische Andacht entstehen. Auch der Chorleiter selbst wählte diesen Psalmtext für seine im Jahr 2011 geschriebene Komposition, in der mit Klangformen unserer Zeit die zuversichtliche Botschaft des 126. Psalms ausgebreitet wird. Dies zeigte sich insbesondere in dem freudig wirkenden Höhepunkt des Ausdrucks dieses Werks.

Kurze Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte Max Reger einen ebenfalls auf einem biblischen Text basierenden Chorsatz mit dem Titel "O Tod, wie bitter bist du" komponiert. Die in dieser Komposition artikulierte erschütternde, von Trauer und Entsagung geprägte Stimmung vermochte der Junge Kammerchor Baden-Württemberg in einer zutiefst anrührenden Interpretation wiederzugeben. Die Aufführung steigerte sich bis zu einem emotionalen Aufschrei, womit das Vokalensemble seine vitale Gestaltungskraft eindrucksvoll bewies.

Mit "Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen" von Johannes Brahms stand ein weiteres erhabenes Werk auf dem Programm [...], das der Chor mit empfindungsreicher Innigkeit ausführte. Dieses Zuversicht und Trost ausdrückende gesungene Gebet erlebte eine innige, zugleich auch feierliche Wiedergabe, die insbesondere mit dem die Komposition beschließenden hymnischen Choral [...] zu einem bewegenden Höhepunkt gelangte.

[...] Vielstimmige Choräle und Rezitativen ähnelnde Gesänge, zum Teil als kunstvoll angelegte Fugen komponiert, ließen in Bachs Motette "Jesu, meine Freude" den Eindruck entstehen, als würde eine Predigt vom Gesang der Gemeinde umrahmt werden. Auch in dieser barocken Komposition standen zuversichtlich stimmende Gedanken im Vordergrund. Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg entfaltete darin auf besonders eindrucksvolle Weise seine Vielseitigkeit in der Gestaltung von kontrastreich angelegten, gesangstechnisch sehr anspruchsvollen Werken.

(RUDOLF WESNER)