Zuhören und Genießen

Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg gastierte in der katholischen Kirche Maria Königin

Der Teckbote, 01.02.2011

Kirchheim. Mit seinem aktuellen A cappella-Programm „Du bist schön“ war der Junge Kammerchor Baden-Württemberg am Sonntagabend zu Gast in der katholischen Kirche Maria Königin in Kirchheim. Unter der Leitung von Jochen Woll präsentierten die über 20 Sänger ein außergewöhnliches Programm geistlicher Werke mit Texten aus dem Hohelied der Liebe.

Das „Lied der Lieder“ oder auch der „Gesang der Gesänge“, im Alten Testament der Bibel König Salomon zugeschrieben, erfreut sich bis heute bei Komponisten einer großen Beliebtheit und dürfte, wie Dirigent Jochen Woll in seinen einleitenden Worten bemerkte, damit zu tun haben, dass die Liebe zwischen zwei Menschen ein Synonym für die Liebe Gottes zu den Menschen sei. So wären die erotischen Texte in der Kirche durchaus nichts Anstößiges. Dafür wurde das Konzert für die zahlreichen Besucher zu einem Anstoß des genauen Zuhörens und Genießens gepflegter Chormusik mit feinsten Differenzierungen und dynamischen Elementen größter Sensibilität. Die aus ganz Baden-Württemberg, unter anderem auch aus Kirchheim, stimmlich ausgewählten Choristen waren technisch sorgfältig und gewissenhaft vorbereitet, die musikalische Seele hauchte Jochen Woll mit seinem inspirierenden Dirigat ein.
Das „quer durch die Welt und quer durch die Jahrhunderte“ gehende Programm begann mit einem vierstimmigen Chor von Leonhard Lechner, der durchsichtig und vergeistigt interpretiert, die Größe der Komposition würdigte. Im Gegensatz dazu wirkte der Chor für fünf Stimmen des portugiesischen Renaissance-Komponisten Estevao de Brito nicht so spannungsreich, wohl aber ausgewogen. Der achtstimmige Chorsatz von einem der ersten amerikanischen Barockkomponisten, William Billings, gelang zu einem Highlight. Er sei, so Jochen Woll, einfacher Handwerker, Gerbergeselle, gewesen und kein Musiker. Er habe sich für die Freiheit der amerikanischen Gesellschaft eingesetzt. Und dieser Geist der Freiheit spiegle sich in seiner Komposition.
„Sie riecht ein wenig nach Planwagen“, stimmte Woll ein auf Leidenschaft, Tanz und eine wunderbare chorische Darbietung. Mit Edvard Griegs „Hvad est du dog skjön“ bewegte sich der Chor mit dichter Harmonik in die Romantik. Verschmelzende Melodiebögen, düstere Stimmungen und sehnsuchtsvolle Nachklänge brachte der Chor bewegend zur Geltung, zwei Soli ergänzten die Stimmung perfekt.
Der zweite Teil des Konzerts würdigte die Vertonungen der alttestamentarischen Liebeslyrik im 20. Jahrhundert. Edward C. Baistow aus Großbritannien schuf mit „I sat down under his shadow“ ein kraftvolles Werk, das das Geheimnis des Hohen Liedes birgt. Fulminanten Chorklang im Forte und zarteste Pianopassagen zeigte der klanggestalterische Ausnahmechor in Stephen Chatmans „You have ravished my heart“, kanadischen Ursprungs. Ein besonderes Herzensanliegen war für Jochen Woll der Chorsatz für vier bis sechs Stimmen „Shir hashirim Perek Gimel“ des israelischen Komponisten Yehezkel Braun in der Originalsprache Hebräisch. Woll habe auf der Suche nach besonderen Liedern das Stück entdeckt, aber die Noten seien in Europa nicht erhältlich gewesen. Beherzt habe er den hoch betagten Komponisten in Tel Aviv angerufen. Dieser habe sich sehr gefreut und ihm die Noten geschickt und geschenkt.
Yehezkel Braun war 1922 in Breslau geboren und später nach Israel ausgewandert. Seine Musik verbinde jüdische Melodien mit gregorianischer Musik und sei hoch emotional.
Treibende Rhythmen, schwebende Sphären und geradezu ätherische Stimmen zeichneten den Vortrag des Jungen Kammerchores aus. Mit „Nigra sum“ von Pablo Casals beendete das exquisite Ensemble den Abend. In die Komposition habe der Cellist Casals „seine große Leidenschaft fürs Cellospiel versteckt“, berichtete Dirigent Woll. Die Bandbreite großer Gefühle von traurig bis leidenschaftlich, lebhaft und humorvoll brachte der Chor mühelos wechselnd zum Ausdruck. Als Zugabe für das begeisterte Publikum gab es die „Mittanz-Gique“ des „Western-Komponisten“ Billings, damit dieses „nach Hause tanzen konnte“, vorgetanzt vom dirigierenden Jochen Woll.

Renate Schattel