Musik und Texte, die Mut machen
Kammerchor Baden-Württemberg überzeugt mit anspruchsvollen Werken
Odenwälder Echo, 12.02.2008
REICHELSHEIM. Mit diesem Konzert reihe sich Reichelsheim in die Liste der Kultur-Metropolen ein – so formulierte es schmunzelnd Pfarrer Carsten Stein am Samstagabend in der Michaelskirche. Zählten doch sonst Heidelberg, Stuttgart und Straßburg zu den Auftrittsorten des Jungen Kammerchors Baden-Württemberg, von Konzertreisen in Nachbarländer mal ganz abgesehen.
„Fürchte dich nicht – Motetten zum Heilversprechen“ lautete der Titel des Konzerts zu Beginn der Fastenzeit, dessen mutmachende Texte von Komponisten aus dem Barock bis hin zur Moderne vertont wurden. Die 23 Chormitglieder eröffneten mit den kaskadenartigen Einsätzen des „Fürchte dich nicht“ eine Folge von „geistlichen Texten, für mehrstimmigen Gesang vertont“.
Johann Christoph Bach (1642-1703), Ahne Johann Sebastian Bachs aus der Arnstädter Linie, schrieb das Werk mit seinen eindrücklichen Textwiederholungen und dem tröstlichen Ausklang. Beeindruckt zeigten sich die Zuhörer von den Stimmen, den akkuraten Einsätzen und der gesanglichen Ausdrucksfähigkeit, die Chorleiter Jochen Woll exakt zu dirigieren wusste.
Johann Bach (1604-1637), ebenfalls ein Vorfahr des großen Meisters, war Organist in Erfurt. Mit seinem Choral „Unser Leben ist ein Schatten“ positionierte sich ein Teil des Chores in der Apsis hinter dem Altar und verlieh dem barocken Stück eine zusätzliche Klangdimension. Mit Klangfülle strömte der Choral „Die mit Tränen säen“ von Heinrich Schütz (1585-1750) durch die Reichelsheimer Kirche.
Heiter und zuversichtlich verkündet Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Interpretation die Jesaja-Zeilen „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir“. Die Doppelchörigkeit des Werkes führte die nunmehr geteilte, dabei einander zugewandte Sängergruppe, sicht- und hörbar vor. Von einer zur anderen Seite schien die Choralmelodie zu wechseln, das beseligende Versprechen immer wieder aufgreifend. Das Publikum zeigte sich begeistert.
Gegründet 1985 und von der Landesregierung sowie dem Kulturamt der Stadt Stuttgart gefördert, nimmt der Junge Kammerchor Baden-Württemberg eine herausragende Stellung ein. Sein Repertoire umfasst hauptsächlich a-capella-Musik der verschiedenen Epochen bis hin zu Uraufführungen vor allem jüngerer süddeutscher Komponisten, ebenso die großen Werke der klassischen Chorsinfonik.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Nachwuchsförderung. Zu den Projekten dieses Chores kommen zwischen zwölf und 60 Sängerinnen und Sänger an Wochenenden oder in Probenwochen zusammen. Gemeinsam mit Jochen Woll werden bis zu sechs Konzertprogramme pro Jahr erarbeitet. Woll war Musiklehrer von Pfarrer Carsten Stein, der nun aktives Chormitglied ist und über diese Verbindung den Auftritt ermöglichte.
Gebannt lauschten die Zuhörer den modernen Vertonungen „Pater noster“ des Dänen Michael Bojesen (*1960) und der Kriegskantate des Franzosen Darius Milhaud (1892-1974).
Während das Gebet mystische und sphärisch anmutende Sequenzen aufwies, Flüstern und Sprechrhythmen zum Tragen kamen, bezeichnete Jochen Woll die „Kriegskantate“ als schwer zu hören: Die verzweifelten Texte Paul Claudels entstanden unter dem niederschmetternden Eindruck beider Weltkriege.
Auf den lang andauernden Beifall am Ende des Konzerts reagierte der Chor mit einer Wiederholung des „spielerischen Umgangs“ mit dem „Vater unser“. Und Dirigent Woll zeigte sich erfreut über die Aufgeschlossenheit und Empathie der Zuhörer.
(Sabine Koch)