Eindringliche Chorleistung

Jochen Woll und sein Vokalensemble mit geistlichen Werken in der Heidelberger Vituskirche

Rhein-Neckar-Zeitung, 19.09.2007

Der in Heidelberg beheimatete Junge Kammerchor Baden-Württemberg unter seinem Leiter Jochen Woll demonstrierte in der Vituskirche Handschuhsheim wieder einmal nachdrücklich seine Klasse. Die frischen, unverbrauchten Stimmen setzten in der Deklamation, der sorgsam abgestuften dynamischen Vielfalt und der rhythmischen Präzision Maßstäbe, die man als superb einstufen darf.

Abgesehen von kleineren Problemen bei Bachs Mottete "Fürchte dich nicht" imponierte das Ensemble durch makellose Intonation. Jochen Woll leitete mit präziser, charismatisch formender und in subtilen Details nuancierter Zeichengebung, die zwischen Schmunzeln und Stringenz wandelte und zu einem beglückenden musikalischen Erlebnis geformt wurde.

Großonkel Johann Bachs "Unser Leben ist ein Schatten" gefiel durch die gelungene antiphonale Aufstellung und die Koloraturen des Soprans. Das erstaunlich streng und profund dargebotene "Die mit Tränen säen" von Heinrich Schütz durch immense Musikalität.

Das lateinisch-dänische "Pater noster" von Michael Bojesen empfanden wir als interessante, wenn auch nicht unbedingt bezaubernde Komposition, die durch ihren stark von der Rhythmik geprägten Gestus zwar gefiel, aber gerade durch diese etwas zu plakative Betonung des rhythmischen Elements, unentschlossen pendelnd zwischen Strawinskijs "Psalmensymphonie" und Kirchentag, viel von ihrem sicher intendierten spirituellen Habitus verlor.

Musikalischer Höhepunkt war die "Cantate de la guerre" von Darius Milhaud nach Paul Claudel: der geniale Rhythmiker aus Südfrankreich konnte eigene Erfahrungen verarbeiten, die sich aus jahrelangem Leiden zu einem Werk verdichteten, das tonale Ballungen und metrische Verschiebungen steigert zu einer Apotheose aus Schrecken, Tröstung und Heilsversprechen. Den aktuellen Inhalt dieser musikalischen Botschaft in einer neuerlichen Zeit vermochte ein fulminanter Chor eindringlich zu vermitteln.

Von Michael Hengstler