Stimmt an die Saiten, Himmelsbürger!

Junger Kammerchor Baden-Württemberg mit Haydns Oratorium „Die Schöpfung" in Heidelberg

Rhein-Neckar-Zeitung, 19.04.2006

„Der Triumph der Ordnung war gewaltig!" jubelte Napoleon Bonaparte nach der Pariser Erstaufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung". Der Übergang vom Höllensturz zum Entspringen der „Neuen Welt" in der ersten Arie war es, was den besonderen Beifall des Imperators erhielt. Dabei dürfte das ganze Werk sehr nach dem Geschmack des Franzosen gewesen sein, ist dieses doch ganz vom Geist der Aufklärung durchdrungen, und ist dort nicht von Engem die Rede, sondern von „Himmelsbürgern".
An unerhörten Übergängen und starken Kontrasten war auch die Aufführung der „ Schöpfung", die der Dirigent Jochen Woll in der Städtischen Musik- und Singschule Heidelberg zur Aufführung brachte, überaus reich. Mit dem Concerto strumentale Stuttgart hatte Woll einen starken Klangkörper zur Hand, dessen historisch ausgerichtete Spielweise und dessen schlanker, überaus klarer Klang eine Fülle an Details zum Vorschein brachte. Schroff, lapidar und kantig wurde das einleitende „Chaos" vorgestellt, und daneben wurde die große Stille immer wieder sehr beredt zum Klingen gebracht mit bedeutsamen Pausen, zartesten Pianissimi, die eine große Spannkraft in sich trugen. Scharf gespannt wurden die Kontraste zwischen explosionsartigen Sforzati und dunklem Misterioso, unendlich leisem Verschweben, quasi zerstäubten Pianissimo-Nebeln. Unwirklich, schemenhaft erhob sich daraus der Chor, um zwingend die neue Ordnung zu schaffen: „Es werde Licht!" Das Klangmalende wirkte bei aller Plastizität in der Ausformulierung nie platt, sondern immer musikalisch gespannt, klanglich konturenstark und geschmackvoll.
Große Erregung und Dramatik kam des weiteren in die Aufführung durch den Gesang des Jungen Kammerchors Baden-Württemberg, der zudem die Begeisterung des Volkes über Gottes Schöpfung deutlich werden ließ. Überaus beweglich und reaktionsstark sang der gut geschulte Chor, prägnant und klangstark in den kontrapunktisch verschlungenen und koloraturenreichen Nummern wie „Stimmt an die Saiten". Zu überaus flammenden Höhepunkten ließ der Chorleiter Jochen Woll die Chor-Orchester-Klänge sich verdichten, ließ daneben schwebende Piani wundersame Wirkung erlangen.
Eine Aufführung, die in ihrem schlanken, lichten Ton und ihrer musikalischen Gestaltung überaus stilvoll war und diesen Eindruck schließt gerade auch die Solisten mit ein. Drei wunderbare Stimmen, die wie geschaffen waren für stilsicheren Haydn-Gesang. Mit samtig schimmerndem Timbre sang Sabine Goetz die Sopranpartie.
Taubenleicht und schmiegsam geschwungen kamen ihre Koloraturen, erlesen leuchtend war ihr Farbenpotential, bestens die Registerübergänge. Lyrisch, schlank, dezent und mit angenehmer Färbung gestaltete Julius Pfeifer die Tenorpartie des Uriel. Überaus kultiviert und herrlich warm timbriert tönte der Bassbariton von Dominik Wörner, der einen wunderbaren Raphael sang: lyrisch wohlklingend, würzig strömend und prachtvoll aufgewölbt, um alle Herrlichkeit der Schöpfung auszumalen.

Nicht ganz unproblematisch ist der dritte Teil dieses Oratoriums, dann, wenn der Mensch, das heißt, wenn Adam und Eva ins Spiel kommen. Stolz und selbstbewusst tritt Adam uns entgegen. Das Libretto von Gottfried van Swieten nimmt dem Menschen jegliche Demut, auch der Sündenfall ist hier ausgespart, es bleibt am Ende bei der Ermahnung, der Sünde zu widerstehen: „O glücklich Paar, und glücklich immerfort, wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen als ihr habt, und mehr zu wissen als ihr sollt!".
Einen leichtgewichtigen Singspiel-Tonfall schlägt Haydn an in dem Duett Adam und Eva. Ehefrieden stiftende Sätze wie Evas „Dein Will ist mir Gesetz. So hat's der Herr bestimmt" wurden von den Interpreten in schwärmerischem Ton und augenzwinkernd ihrer biederen Einfältigkeit beraubt. So ließ das Sängerduo deutlich werden, dass die Einheit zwischen Mann und Frau denn doch nicht so bruchlos ist und nicht unbedingt bis zum jüngsten Tage dauert.

(Rainer Köhl)