Friede im Wandel

Junger Kammerchor Baden Württemberg in der St. Raphaelskirche

Rhein-Neckar-Zeitung, 24.09.2014

Wenn in vielen Ecken unserer Welt die kriegerischen Auseinandersetzungen immer mehr Menschenleben fordern und die Gewalt mehr zunimmt als nachlässt, werden die Worte umso dringlicher, die auf diesem Konzertplakat prangen: Friede auf Erden. Im Konzert selbst wurde die Aktualität dieses Weihnachtsgrußes noch mehr hervorgehoben, als der Junge Kammerchor Baden Württemberg mit Schütz’ „Verleih uns Frieden“ gerade das „zu unsern Zeiten“ so nachdrücklich vehement hervorhob, dass die Worte von der Zuhörerschaft in der Raphaelskirche tief verinnerlicht wurden.

Es war der Wunsch von Chorleiter Jochen Woll, dass man etwas von dieser in verschiedene Klanggewänder gekleideten Friedensbotschaft mitnahm, wozu er Bachs „Fürchte dich nicht“ in lebensbejahendem Gestus erklingen ließ. So spritzig und aufgelockert, jauchzend vor Freude, zelebrierten die Sänger das „ich stärke dich“, dass alle Furcht abgelegt schien und man Vertrauen schöpfte.

Im Kontrast hierzu wurde Mendelssohns „Warum toben die Herren“ anklagend und vorwurfsvoll in die Gemeinde geworfen, richtig aggressiv und mit bis zum Schrillen ausgereiztem Sopran wurden die Worte „Du sollst sie mit

eisernem Zepter zerschlagen“ herausgeschmettert. Wolls markantes Dirigat ließ es hier an Energie und Einsatzwillen keineswegs mangeln.

Nach „Richte mich, Gott“ hatte man Mendelssohns Motette „Verleih uns Frieden“ weitergesponnen, verteilte sich der Chor in vier Ecken und arbeitete vor allem atmosphärisch, baute mit viel Feingefühl Klangbilder auf, durch deren dichtes Geflecht nur selten eine Solostimme hindurchleuchtete.

Gemäß der historischen Entwicklung folgte Schönbergs „Friede auf Erden“ zum Schluss dieser Werkreihe von der Renaissance über das Barock zur Romantik. Obwohl noch nicht atonal, war Schönbergs Abschiedswerk von der Romantik damals ein Angriff auf die Chormusik, und lange dauerte es aufgrund der hohen Ansprüche bis zur Uraufführung. Umso eindrucksvoller gestaltete sich nun das Ende dieses Abends mit kurzzeitig Versöhnlichem zum überaus Gewalttätigen.

Als Trost für den Heimweg gab es dann noch Mendelssohns „Denn er hat seinen Engeln befohlen“.

Von Simon Scherer