Jugendlicher Pioniergeist des Jubilars

Junger Kammerchor Baden Württembergin der St. Raphael Kirche- Britten zum Geburtstag

Rhein-Neckar-Zeitung, 05.12.2013

Es ist eine unglaubliche Vielschichtig­keit, in die Benjamin Britten im Alter von 20 Jahren seine Botschaft "A Boy was Born" mit einer Vielzahl an Stimmen hi­neinversetzt hat. In einem schwebenden Nebeneinander von völlig verschiedengestaltigen Stilelementen und einem für den Hörer nicht immer sogleich fassbaren Muster stellt er enorme Anforderungen an seine Interpreten, um ihre Stimmen bis an die Grenzen des Möglichen zu führen. Dem Jungen Kammerchor Baden­ Württemberg ist es in seinem Advents­konzert zum erst neun Tage zurückliegenden 100. Geburtstag von Benjamin Britten in vollem Maße gelungen, ihre Stimmen in diese Tiefen der Ausdrucksmöglichkeiten vordringen zu las- sen. Zieht Chorleiter Jochen Woll zu Beginn die Klänge wie an seidenen Fäden mit äußerst filigraner Art in einer sachten Tiefe entlang, so lässt er das Halleluja in imposanten Höhen aufstrahlen, bevor es sich wieder in dieses verhaltene Geflecht der Fäden einreiht.
Mit deutlichen Gesten lässt Woll das Jauchzen mit den Stimmen imitieren, animiert seine Sänger, die zahlreichen Ausrufe der Variationen mit Entschlossenheit in den Raum hineinzu­werfen, fährt aber genauso seinen Chor bis in eine schüchterne Schattierung zurück, um den Solosopran mit seiner durchstechenden Intensität ganz zum Mittelpunkt werden zu lassen.
Ist der Text einmal auf die Grund­lage retardierender Motive gelegt vor dem Hintergrund klagender Melodien, gibt es ein andermal rasante Steigerungen im Pensum der Textdeklamation, die auch dynamisch bis in die höchsten Gefilde hinaufsteigen, sodass nicht nur der Chor sein beachtliches stimmliches Volumen zu Gehör bringen kann, sondern auch der Dirigent in eine immer aufgewühltere Interpretation verfällt, die an ihrem energetischen Höhepunkt sogleich auch wieder weggerissen wird.

Nach solch schwerer, aber tiefbeeindruckender Kost überströmte der in der zweiten Hälfte von hinten einziehende Chor mit dem "Hodie Christus natus est" aus Benjamin Brittens bekannter "Ceremony of Carols" die Konzertgemeinde. Empfangen wurden die Sänger im Altarraum von der Harfenistin Marlene Angerer, die teils in me­lancholischen, teils in freudig virtuosen Läufen diesen kraftvollen Gesang begleitete.
Das "Deo gratias" wurde zuletzt so enthusiastisch zelebriert, dass der Applaus des Publikums unterbrochen werden musste, um sich mit einer Zugabe zu bedanken, und zwar nicht nur für den "Apfel, der von Adam genommen wurde", sondern auch für den lebhaften Beifall für diesen musikalischen Hochgenuss im Advent.

von Simon Scherer