Hohelied der Liebe und des Jazz

Lehels "Song of Praise" vom Jungen Kammerchor uraufgeführt

Rhein-Neckar-Zeitung, 28.05.2011

Es gibt eine Frage, die sich jede Zeit und jede Kunstform neu stellen muss, sofern sie sakrale Texte interpretiert: Wie sieht eine zeitgemäße, eine moderne und zugleich eine stimmige Interpretation oder Renaissance heiliger Texte aus?
Der preisgekrönte Saxofonist, Komponist und Lehrbeauftragte an der Hochschule in Karlsruhe, Peter Lehel, schuf im Auftrag des Jungen Kammerchors Baden- Württemberg unter der Leitung seines Gründers Jochen Woll die Vertonung des Hohenliedes der Liebe, „The Song of Praise – The Song of Songs“ für Chor, Saxofon, Piano, Bass und Schlagzeug.
Es ist als Cross-over-Projekt, gedacht als ein Werk, das die Grenzen zwischen Vokalensemble und Bigband, zwischen Klassik und Jazz aufbricht. Im Münster von Straßburg uraufgeführt,war die Erstaufführung in der Heidelberger St. Vituskirche, die noch einer Aufführung in Stuttgart nachfolgte, gut besucht. Das Publikum war so begeistert, dass der dritte der acht Gesänge, „Wandering Dreams“, als Zugabe wiederholt wurde.
Die Anlage des Werkes: Acht Gesänge, die alle gewiss mit dem klassisch gefälligen Jazzidiom spielten, aber dabei keine Scheu vor Anleihen jeder Art aufwiesen: Polyphonien im ersten Teil, die ein angenehmes Spannungsmoment zu einem gelassenen Swing entwickelten, daneben Exotismen und orientalisches Design im zweiten Gesang, „Taste of Fruit“, die einen Hauch von Folklore aufkommen ließen. Ein barock fugierter A-cappella-Einsatz in Gesang Nr. 3 („Wandering Dreams“) wurde von rockigen Bandintermezzi abgelöst, die ihre poppige Fortführung in „Losing my Mind“ fanden, alles musicallike, meistens gefällig, Musik zum Entspannen. Interessanter gestalteten sich der fünfte und achte Gesang „Midnight Desire“ und „Set Me as a Seal upon Thine Heart“, die bedrohlicher und finsterer in der Tonsprache gerieten. Mit harten Paukenschlägen verdeutlichte Lehel das Besiegeln der Herzen, von Dieter Schumacher (Percussion) eindrucksvoll umgesetzt.
Lehel brillierte mit nicht zu hartem Blatt auf seinem Saxofon, Dirk Blümlein (Bass) und Ull Möck (Piano) sekundierten. Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg bestach unter Jochen Woll mit seinem sauberen Belcanto, auch wenn der immer wieder von der Band überspielt wurde.

von Astrid Mader