Alles, was Odem hat

Der Junge Kammerchor in der Motette

Schwäbisches Tagblatt, 22.02.2010

Das "Te Deum laudamus" hat Komponisten immer wieder vor formale Probleme gestellt. Der Ambrosianische Hymnus zielt ins Abstrakt-Metaphysische, bietet kaum griffige Bilder an, ist ein einziger großer Lobpreis. Zudem ist der Text - für einen einzelnen musikalischen Satz - vergleichsweise lang. Eine Vertonung muss diesen unablässigen Lobpreis musikalisch tragen, ohne gleichförmig zu werden oder vor lauter Klangfeuerwerk am Ende nicht mehr genug Möglichkeiten zu einer Steigerung zu haben.

Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg stellte bei seinem Auftritt in der Motette zum ersten Sonntag der Passionszeit Invokavit fast exemplarisch drei A-cappella-Chorsätze aus den unterschiedlichsten Epochen nebeneinander: Orlando di Lassos Renaissance-Te Deum für sechsstimmigen Chor, Mendelssohns romantisches Pendant für Soli und vierstimmigen Chor und ein Te Deum der 2007 verstorbenen Ruth Zechlin, eine der großen Komponistinnen von Kirchenmusik in der damaligen DDR.

Den Jungen Kammerchor hat Jochen Woll 1985 gegründet. Das von der Landesregierung geförderte Ensemble versammelt begabte Nachwuchs-Sängerinnen und -Sänger aus dem gesamten Land. Der Chor genießt ein beachtliches Renomee. Entsprechend war die Motette am Samstag mit 250 Zuhörern gut besucht.
Zu den übers Jahr verstreuten Arbeitsphasen finden sich je nach Projekt zwischen zwölf und 40 Choristen zusammen. Mit 14 Frauen- und neun Männerstimmen war die Besetzung am Samstag allerdings recht klein - ein gewagtes unterfangen zumal bei den doppelchörigen Werken: Sobald sich die Stimmen polyphon aufteilen, wurde der Klang schnell dünn, verlor an Farbe und Tragfähigkeit.
Am ausgewogensten war der Chorklang in homophon geschlossenen Abschnitten, etwa bei di Lassos Te Deum, das mit kräftigen Akzenten auf die Takt-Eins belebt wurde. Auch in Zechlins Version des Hymnus für vierstimmigen Chor (2001) überzeugten die starken Impulse, die wie Glockenschläge Klänge anrissen und schwingen ließen. Wirkungsvoll die intonationssichere Chromatik und die gesprochenen Passagen.
Bei den doppelchörigen Werken waren die beiden Chorhälften mutig weit auseinander gestellt. Das ermöglichte bei Schütz' "Singet dem Herrn" raffinierte Echo- und Stereo-Effekte. Bei Bachs Motette auf den denselben Text, dem höchst anpruchsvollen "Singet dem Herrn ein neues Lied" (BWV 225), war die Entfernung aber zu groß. Die Chorhälften drifteten im schnellen Tempo auseinander, mischten sich auch klanglich nicht. Die kräftigen Akzente ließen der Schlussabschnitt "Alles, was Odem hat" noch härter und und unruhiger wirken.
Sehr viel weicher und geschmeidiger, auch viel dirffernzierter geführt war der Chorklang in Mendelssohns deutschsprachigem Te Deum für Soli und vierstimmigen Chor. Als Zugabe ließ Woll noch einmal das "Alles, was Odem hat" aus der Bach-Motette wiederholen, diesmal allerdings wohlweislich in geschlossener Chorformation.

(Achim Stricker)