"Die Blumen sind aufgegangen ..."

Junger Kammerchor Baden-Württemberg in St. Vitus Heidelberg

Rhein-Neckar-Zeitung, 21.09.2010

Immer wieder gern gehört in Heidelberg ist der „Junge Kammerchor Baden-Württemberg“ unter Jochen Woll, und das hat absolut einsehbare Gründe: dieser Chor ist ein Ereignis! Mit der Aufführung von (teilweise partiellen) Vertonungen des „Hohenlieds Salomos“ durch die Jahrhunderte und durch die Kontinente feierte man das 25-jährige Jubiläum.

Die kraftvollen und wunderbar warm auf dem Kern singenden Stimmen waren von einer stupenden Ausgewogenheit des Klangs. Der Chor demonstrierte exzellente Formung der Linien und eine großartige rhythmische Präzision und Variabilität. Superb die Sprachbehandlung bei insgesamt fünf Sprachen.

Eindrucksvoll der chronologische Beginn der musikalischen Zeitreise mit Leonhard Lechners Vertonung, die renaissancespezifischen metrischen Wechsel erklangen genau so eindrucksvoll wie bei Estêvão de Brito, einem bedeutenden portugiesischen Renaissancekomponisten.

Etwas skurril die Vertonung des amerikanischen Barockkomponisten William Billings, die mit doppeltem Kontrapunkt und sehr amerikanischem Klang, der schon fast an Western-Musik gemahnte, faszinierte. Edvard Griegs Interpretation in norwegischer Sprache, eines seiner letzten Werke, war tief romantisch und erklang überaus packend. Sehr getragen, in moderat modernen Harmonien erlebten wir die „Hohelied“-Vertonung des Briten Edward Bairstow, mit milden Dissonanzen maßvoll gewürzt und mit hymnischen Einschüben die des zeitgenössischen Kanadiers Stephen Chatman.

Das interessanteste Werk des Abends, die Vertonung des israelischen Komponisten Yehezkel Braun, wurde vom Chor mit ebenso großer Emphase wie Empathie in hebräischer Sprache präsentiert. Ein Werk, das Stilmittel von Gregorianik bis Jazz und jiddischer Volksmusik verwendet, ekklektizistisch, aber stimmig. Romantisch und beseelt, mit schwingenden „Cello“-Linien in den Bässen, endete das Konzert mit der Vertonung des Katalanen Pablo Casals.

Jochen Woll formte dieses Konzert durch intensives, charismatisches Dirigat, durch Ernst und, wo angebracht, auch mit launigem Humor zu einem außerordentlichen Ereignis.

(Michael Hengstler)