Junger Kammerchor zeigt Zuhörern ein Stück Himmel

Sänger entführen auf eine Zeitreise von der Gregorianik bis zur Neuzeit

Schwarzwälder Bote, 30.09.2009

Nicht nur ein besonderes Konzert, sondern Kirchenmusik auf höchstem Niveau wurde einer erfreulich großen Zuhörerschaft in der St. Liobakirche Bad Liebenzell geboten. Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg unter der Leitung von Jochen Woll präsentierte A-cappella-Chormusik verschiedener Epochen.
Beginnend mit einer sechsstimmigen Komposition von Orlando di Lasso, der im Zeitalter der Hochrenaissance ein fast 1000 Jahre altes Gebet »Te Deum laudamus« vertonte, entführte der Chor die Zuhörer auf eine Zeitreise durch die Musikgeschichte. Unisonophasen in absoluter Klangreinheit wechselten sich ab mit sechsstimmigen Chorpartien, eine Widerspiegelung des Gedankenguts der Renaissance: Gott in seiner unerreichbaren Klarheit, ohne jegliche Spannung, von Anfang bis Ende ist alles stimmig und am rechten Platz.
Mit einem riesigen Sprung in die Neuzeit und in absolutem Kontrast stellte sich das nächste Stück von Ruth Zechlin dar. Erst 2001 entstanden, wird der gleiche Text des ambrosianischen Lobgesangs in ein musikalisches Spiegelbild unserer Zeit versetzt. Bewusste Dissonanzen zeigen, wie so manches aus den Fugen gerät und eben nicht alles stimmig ist. Permanenter Wechsel zwischen sehr lauten, hektischen Tonfolgen, schneller, fast unverständlicher Sprache und ganz leisen, einsilbigen Passagen bis hin zum Sprechgesang, ebenfalls Wechsel zwischen tiefsten Basslagen und höchsten Sopranstimmen erinnern an eine hektische, betriebsame Menschenmenge in einer lauten, unsteten Zeit.
Durch ein freudiges »Te Deum«, komponiert für zwei vierstimmige Chöre von Antonio Caldara, einem Vertreter des Barock, wurde die Stimmung der Venezianischen Schule, in großen Kirchen von mächtigen Emporen zur vollen Prachtentfaltung zu gelangen, spürbar. Ebenfalls aus dem Barock stammt die Motette »Singet dem Herrn« von Heinrich Schütz, genannt auch der »musicus poeticus«, da er Worte in einfacher, fast kindlicher Sprache direkt in Musik umsetzte. Die als Höhepunkt angekündigte Motette »Singet dem Herrn ein neues Lied« von Johann Sebastian Bach für zwei vierstimmige Chöre brachte das Können des Ensembles in großartiger Weise zum Ausdruck. Texte aus Psalm 150 und 149 mischten sich mit Strophen aus dem Choral »Nun lob mein Seel’ den Herren«, dessen Cantus Firmus immer wieder erkennbar war. Der Gegengesang zwischen den beiden Chören steigerte sich zu einem Jubelgesang und gipfelte im absoluten Höhepunkt des Schlusssatzes »Lobe den Herrn« bis zum feierlichen »Halleluja«.
Mit dem letzten Stück von Felix Mendelssohn Bartholdy »Te Deum laudamus« in deutscher Fassung schloss sich der Bogen über fast eineinhalb Jahrtausende mit dem Text des Gebetes zu Anfang.
Seinen Dank beendete Pater Morand von der katholischen Kirchengemeinde mit den Worten, dass es dem Chor und seinem Leiter gelungen sei, die Zuhörer vom Geschehen des Tages zu entführen und ihnen ein Stück Himmel zu zeigen.

Von Andrea Fisel