Vorboten der Revolution

C.P.E. Bachs „Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ in St. Vitus

Rhein-Neckar-Zeitung, 12.04.2007

Vergessene Werke der Musikliteratur schlummern zuhauf in den Archiven, es bedarf nur des entsprechenden Mutes, Engagements und der Überzeugungskraft, diese wieder ans Licht zu führen. All diese Voraussetzungen erfüllte der Dirigent Jochen Woll, als er jetzt Carl Philipp Emanuel Bachs großes Oratorium „Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ in der St.-Vitus-Kirche Heidelberg-Handschuhsheim zur Aufführung brachte.

Das 1780 vollendete Werk nimmt viele Tonfälle von Haydns zwei Jahrzehnte später entstandener „Schöpfung“ voraus und steht buchstäblich zwischen zwei Welten: zwischen der barocken, was in manchem prächtig gestalteten chorischen Gotteslob teilweise durchklingt, und dem weitaus dominierenden neuen Geist der Aufklärung subjektiv gestalteten Empfindsamkeit. Gerade dieses Zwischen-zwei-Welten-Stehen verleiht dem Werk große Kühnheit. Dies ist wohl auch die Ursache für die zahlreichen Brüche, Pausen und ungewöhnlichen harmonischen Rückungen, die dem Schlusschor solch eigenwillige Gestalt geben.

Zu hören war ein Werk von dennoch erfrischender Eigenständigkeit. Schon die instrumentale Einleitung ist höchst bemerkenswert, ahnt mit ihrer düster-stockenden, amorphen Unisono-Melodie der tiefen Streicher etwas vom „Chaos“ des „Schöpfungs“-Beginns voraus. Umso lieblicher ist der folgende Eingangschor, der die Seelenrettung durch Gott herbeisehnt. Von „Triumph“ ist immer wieder die Rede in Carl Wilhelm Ramlers vertontem Text, und der heroische Ton, der dabei in markant gespitzten Rhythmen, in Trompeten- und Hörnerklang angeschlagen wird, hat sehr viel vorrevolutionären Impetus. Da hört man schon die Vorboten der Marseillaise heraus.

Allerbeste Wahl hatte Jochen Woll mit der Verpflichtung des Barockorchesters „L’arpa festante“ getroffen, das plastisch, mit großer Beredsamkeit und reicher Farbgebung all das ausmalte, worum es in dem Oratorium geht. Der weiche Klang der Traversflöten, die Strahlkraft der Barocktrompeten und die Sonorität der Naturhörner, die Biegsamkeit der Streicher, die auch mal mit sordiniertem Klang das Betrübnis ausmalen, all dies gab dem Oratorium reichste klangliche Faszinationskraft.

Jochen Woll am Pult schärfte die Konturen, setzte auf beredte Kontraste und hielt das Werk dennoch frei von aller Plakativität. Eine mustergültige Wiedergabe mit dem bestens präpariertem Jungen Kammerchor Baden-Württemberg, der mitreißenden Schwung und schlanke, beweglich gehaltene Klangpracht hineintrug, die triumphalen Gesten zu erhebender Wirkung brachte.

Nicht zuletzt waren es die exzellenten Solisten, die all den Reichtum des Oratoriums zu bester Blüte brachten. Vor allem der Tenor Hans Jörg Mammel, dessen schmiegsam geführtes, überaus schön klingendes Organ großen Nuancenreichtum in die arios gestalteten Rezitative brachte. Mit weich schimmerndem, samtig abgetöntem Sopran und großer Innigkeit erfüllte Sabine Goetz die Sopranarien. Kleine Dramen schuf der Bariton Matthias Horn aus den farbenreich begleiteten Rezitativen: Sein würziges, klangvolles Timbre und seine hohe Ausdruckskraft waren beste Grundlage dafür, die wechselnden Stimmungen und Gefühlsregungen expressiv zu vermitteln.

(Rainer Köhl)