Überzeugendes Agnus Dei

Junger Kammerchor Baden-Württemberg sang in der Motette

Schwäbisches Tagblatt, 18.06.2001

TÜBINGEN (hb) Jochen Woll, der agile Leiter des "Jungen Kammerchors Baden-Württemberg" wich dieses Mal von der konventionellen Programmgestaltung ab und führte am Samstagabend seine zahlreichen Zuhörer in der Stiftskirche in nord- und osteuropäische Länder. Bei seiner Auswahl berücksichtigte er zwischen 1915 und 1960 geborene Komponisten, die sich weit über ihre engere Heimat hinaus eines guten Rufs erfreuen. Es war ihm außerdem wichtig, Werke nicht allzu modernen Zuschnitts vorzuführen, Werke also, die gut klingen und oftmals ihre enge Bindung an die Tradition nicht verleugnen.

Die Sängerinnen und Sänger, die alle Schwierigkeiten mit einer erstaunlichen Mühelosigkeit überwanden, begannen mit dem "Pater noster" des Dänen Michael Bojesen, in dem sich nicht nur die lateinische und dänische Sprache mischten, sondern auch die verschiedensten Techniken, angefangen von schlicht liedhaften Notationen bis zu kontrapunktischen Strukturen. Der Norweger Bertil Palmar Johansen war mit seinem höchst differenziert ausgearbeiteten, die Stimmen herausfordernden "Dona nobis pacem" recht ansprechend vertreten. Altmeister Knut Nystedt, ebenfalls Norweger, war mit seinem "Immortal Bach", einer klanglich faszinierenden Bearbeitung des Liedes "Komm süßer Tod" zu hören. Dann ging es nach Schweden zu Sven Erik Bäck, dessen Motette "Ego sum panis vitae" durch ihren Ernst und ihre Knappheit stark beeindruckten.

Trotz ihrer beträchtlichen Ausdehnung vermochte die Vertonung der uralten Hymne "Te Deum laudamus" von dem Finnen Pekka Kostiainen in jedem Takt zu fesseln. Sie musste gefallen, weil sie, stets dem Sprachduktus nahe blieb, zugleich aber eine musikalische Ergründung des Textes ansterbte.

Auf den Esten Arvo Pärt, berühmt geworden durch seine einfache und eingängige Schreibweise, wollte auch Jochen Woll nicht verzichten. Dass Pärt auch ein ernstzunehmender Könner ist, zeigte sein "Magnificat", in dem er auf primitive Harmonik verzichtete und zu eigenartigen Deutungen vorstieß. Noch unverständlicher wäre es gewesen, an dem Polen, das einstige "Enfant terrible" Krysztof Penderecki vorbeizugehen, der heutzutage als Vertreter einer neuen geistlichen Musik gefeiert wird. Von dem Geläuterten war das fantastische "Agnus Dei" zu hören, bei dem bis zu zwanzig Stimmen mitwirken. Große Gesten, ja theatralische Ausbrüche waren hier gefragt. Besonders bei der Wiedergabe dieses Stücks waren die Fähigkeiten des Chores und des Dirigenten zu bewundern. Zum Schluß ging es noch einmal zurück zu Knut Nystedt, dessen liedhaftes Opus "Laudate Dominum" zu erquicken vermochte. Die Motette endete nicht, wie so oft, "in Stille", sondern mit starken Beifallskundgebungen. Sie hatten zur Folge, dass sich die Gäste zu der Zugabe einer schnittigen, etwas oberflächlichen Konposition des Litauers Vytautas Miskinis entschlossen.